Editorial

Vom Mayakalender zum Seelenkalender Rudolf Steiners

Editorial Europäer Februar 2012

Die halbe Welt ist im Mayakalender-Fieber. Marcus Schneider rückt das Reden, mancherorts das Gerede vom Mayakalender in eine aufklärende geisteswissenschaftliche Perspektive. Unter Anthroposophen hat nicht zuletzt das von ihm erwähnte Buch von Robert Powell Christus und der Mayakalender – 2012 und das Erscheinen des Antichrist für Aufsehen, Unruhe oder Verwirrung gesorgt. Powell gehört zu den langjährigen Vertretern der Ansicht, der Bodhisattwa des 20. Jahrhunderts sei im estländischen und später zum Katholizismus konvertierten Anthroposophen Valentin Tomberg erschienen, und er vertritt infolgedessen die in unseren Augen illusionäre Auffassung einer Kompatibilität zwischen römischem Katholizismus und wirklicher Geisteswissenschaft.* Die ungarische Anthroposophin und Universitätsdozentin für Astronomie, Márta Varga, zeigt, auf welch fragwürdigen astronomischen wie anthroposophischen Grundlagen Powells Mayakalender- und Antichrist-Theorien fußen. Vargas Artikel sollte eigentlich auf den von Schneider folgen, musste aber aus technischen Gründen im hinteren Teil der Zeitschrift abgedruckt werden.

Vor hundert Jahren erschien die Urausgabe von Rudolf Steiners Jahreskalender mit den Wochensprüchen des so genannten Seelenkalenders. Jeder Monat enthielt ein «intuitives» Tierkreisbild. Es war eine großangelegte Anregung, die kosmischen Einflüsse aus dem Tierkreis sowie die sich verwandelnden Qualitäten innerhalb des Jahreslaufes tiefer zu erleben. Steiner stellte außerdem einen Kalender zusammen, der die spezifisch christliche Entwicklung in den ersten zwei Jahrtausenden nach Golgatha spiegeln sollte. Darin figurieren christliche Märtyrer, Missionare oder Heilige, deren Namen heute nur Wenige überhaupt kennen. Das zeigt, dass von der wirklich christlichen Entwicklung und ihren Trägern bis heute nicht allzu viel ins öffentliche Bewusstsein gedrungen ist. In unserem Kalender haben wir die Zahl solcher Persönlichkeiten allerdings reduzieren müssen, um mehr Raum für die neuen Karma-Angaben zu lassen, die zur Hauptsache auf Steiners Vorträge und gelegentlich auf zuverlässige mündliche Angaben zurückgehen.

In Bezug auf den Umgang mit den Wochensprüchen des Seelenkalenders bringen wir einen uns von Günter Aschoff zugesandten Artikel, welcher auf deren tiefen Zusammenhang mit dem Doppelstrom der Zeit hinweist.

Um das ätherische Wirken Christi in das Erleben aufzunehmen, ist das Miterleben des reellen Jahreslaufes eine Vorbedingung. So Rudolf Steiner einmal zu Friedrich Rittelmeyer.
Nach Steiners Vortrag vom 13. Oktober 1923 (GA 229) entspricht dabei jedem Jahresfest auf der Nordhemisphäre ein solches auf der Südhemisphäre. Aber beide bedingen und durchdringen sich gegenseitig.

Der Artikel wirft auch Licht auf den markanten Unterschied zwischen den «Spiegelsprüchen» und den «Gegensprüchen». Wir werden diese essentielle Thematik in den folgenden Nummern fortsetzen.

Auch für den letzten Jahrgang des Europäers wurde ein Register erstellt. Diesen können Sie hier erwerben: Register/Index Europäer Jahrgang 1-15

Wer dennoch einen Printkopie wünscht, möge diese über info@perseus.ch oder die Redaktionsanschrift anfordern.

Thomas Meyer


* Vgl. dazu auch Th. Meyer,
Scheidung der Geister – Die Bodhisattwafrage als Prüfstein des Unterscheidungsvermögens, Basel, erw. Aufl. 2010