Editorial, News

Gegner welcher «Anthroposophie»?

Ein offenes Wort vom Chefredaktor des Europäers

Jüngst verbreiteten mehrere Anthro-Medien einen von acht Autoren zusammengestellten Artikel, der eine kollektive Willens-Erklärung darstellt: «Die offene Anthroposophie und ihre Gegner» (siehe den Artikel von Arnold Sandhaus auf S. 19).

Die Autoren ziehen darin wie Krieger gegen das Gift von «Verschwörungstheorien» zu Feld. Außer Schlagworten und Unterstellungen haben sie nichts Substantielles zu bieten. Der Chefredakteur von Info-3, Jens Heisterkamp, geht sogar so weit, konkret zwei offenbar recht unangenehme Konkurrenten zu seinem Frankfurter Blatt als Gegner seiner «offenen Anthroposophie» zu brandmarken: das von Roland Tüscher und Kirsten Juel herausgegebene Nachrichtenblatt und den Europäer. Letzterem werden auch «neo-nationalistische» Einschläge unterstellt.

Da wir nun – auch von der Redaktion der Dornacher Wochenschrift für «Anthroposophie» – ganz offen als Gegner der «offenen» Anthroposophie angeprangert werden, wollen wir die Gelegenheit nicht versäumen, offen mitzuteilen, dass wir dies für ein – allerdings ungewolltes – Kompliment betrachten. Ich will mich kurz erklären: Die «offene Anthroposophie» erheischt seit ihrer Frankfurter Geburt vor vielen Jahren diktatorisch Offenheit für fast alles, was uns der «Zeitgeist» – ja, welcher? – um die Ohren weht. Namen wie Ken Wilber, Andrew Cohen oder Info-Bannerträger wie Felix Hau und Sebastian Gronbach mögen genügen, um die Offenheit dieser Anthroposophie zu bezeichnen. Wer aber in einer geistigen Bewegung alle Fenster aufreißt, erzeugt ganz einfach spirituellen Durchzug. Mit einer solchen Durchzugs-Anthroposophie wollen wir in der Tat nichts zu tun haben. Sie kann nur zu geistigen Erkältungszuständen mit gleichzeitigen oder anschließenden Fieberzuständen führen. Wir sind stolz darauf, Gegner einer solchen «Anthroposophie» zu sein. Wir lieben zwar Frankfurter Würste. Aber die in der Goethestadt (!) zubereitete und über die Zwischenstation Dornach nach einem weltweiten Export gierende Durchzugs-Anthroposophie erachten wir – auf dem Hintergrund wahrer Anthroposophie – einfach als einen Etikettenschwindel mit schönen, hochtrabenden, zumeist ganz leeren Worthülsen.

Offen genug?

Wem dies alles übertrieben erscheint oder gar ungerechtfertigt, der lese die beste Selbst-Darstellung, die Info-3 je geliefert hat. Das Blatt und sein Umkreis sieht seine Aufgabe darin, der Menschheit eine «Anthroposophie» zu vermitteln, die nachvollziehbar und zeitgemäß sei, was derjenigen von Rudolf Steiner schlicht abgesprochen wird. Unter der Überschrift «Einfach mal durchlüften» erschien in der Juni-Nummer eine Vorschau auf einen bis jetzt nicht erschienenen Artikel mit Sentenzen von Mathias Wais: Man lese und staune: «Rudolf Steiner hat uns überfordert. Das Kolossale seiner Ausführungen ist weithin nicht nachvollziehbar. Also sind wir zu eigenen zeitgemäßen Wegen aufgerufen. Mathias Wais mit Gedanken zur Anthroposophie zwischen gestern und morgen.» Erst wird posaunt, dass die Anthroposophie objektiv kaum nachvollziehbar und zeitgemäß sei, dann wirft man sich zu deren berufenem Reformator auf, damit sie endlich das werde, was sie für Menschen, die einen gewissen Denkwillen aufbringen wollen, schon immer war: nachvollziehbar und zeitgemäß. Wir wollen gerne glauben, dass manche Leute beim Studium der Anthroposophie überfordert sind… Doch das gibt ihnen keine Befugnis, ihr subjektives Nicht-Verstehen zur allgemeinen Norm zu erheben.

Schließlich: einer der glorreichen Acht, Henning Kullak-Ublick, Vorstand des Bundes der Freien Waldorfschulen, spricht in seiner Erklärung von der verschwörerischen Tendenz, dem irrationalen Grundsatz zu huldigen «Nichts ist, wie es scheint». Kullak-Ublick hat vor Jahren bekanntlich dafür gesorgt, dass Menschen wie der ehemalige Waldorfschüler Ken Jebsen von Oberstufenvorträgen an Waldorfschulen prinzipiell fernzuhalten seien. Nun erschien in diesem Jahr ein Buch des Tübinger Akademikers Michael Butter, das zur Bibel der Glorreichen Acht und aller von ihnen Beeindruckten werden könnte: Nichts ist, wie es scheint – Über Verschwörungstheorien. Darin findet sich eine «Fallstudie» prägnanter Art: Daniele Ganser, ebenfalls einst Waldorfschüler und Freund und Kollege von Ken Jebsen, der auch am 3. März 2018 in Basel aufgetreten war, wird als typischer Verschwörungstheoretiker hingestellt. Man fragt sich, woher der Ganser-Furor kommt. Wird er etwa beneidet, weil kein Geringerer als Noam Chomsky sein NATO-Buch gelobt hat?

Ja, nichts ist, wie es scheint. Dieses Wort muss auch auf die Willens-Erklärung der Glorreichen Acht angewendet werden. Sie scheinen sich Sorge um die Anthroposophie zu machen – und haben ihre Gegner. Wirklich?

Nein, nicht einmal uns. Wir haben, genau genommen, keine Gegner, auch nicht diese Menschen. Wir kümmern uns einfach nicht weiter um sie. Wir respektieren ihre Freiheit, die Anthroposophie nicht nachvollziehbar, unzeitgemäß und reformationsbedürftig zu finden und widmen uns weiterhin dem Bemühen, sie immer besser zu verstehen und zu verwirklichen.

Thomas Meyer