Editorial

2013 – ein Vorkriegsjahr?

In vergangenen Nummern blickten wir auf Ereignisse, welche im Jahre 1912/13 zur Trennung des Wirkens Rudolf Steiners von der Theosophischen Gesellschaft geführt hatten. Dabei machten wir auch auf bedenkliche Erscheinungen innerhalb der heutigen anthroposophischen Bewegung aufmerksam, die eine Folge der Nicht-Verarbeitung gravierender Ereignisse nach Steiners Tod darstellen.*

Dreißig gegenwärtige Krieg

Im großen Weltgeschehen droht eine ähnliche Wiederholung fataler Ereignisse: Die Welt ist – bald hundert Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs –  nach einer Untersuchung der Universität Hamburg aus dem Jahre 2011 – in rund 30 Kriege verwickelt**, Tendenz steigend. Diese Kriege können praktisch jederzeit zu einem großen Weltkrieg zusammenschmelzen. Die Gefahr dazu ist wohl nirgends größer als im weitgehend künstlich provozierten Konflikt mit dem Iran, in welchen nebst der USA alle NATO-Länder, aber auch Israel, Russland und China hineingezogen werden könnten.

Dass sich Kriege provozieren lassen, sollten wir schon seit dem Ersten Weltkrieg wissen. Dass es dabei in gewissen Kreisen zu einem merkwürdigen «Vorwissen» kommen kann, ist nicht verwunderlich.

Ein solches Vorwissen über das Attentat von Sarajewo, das am 28. Juni 1914 stattfand und zum Auslöser des Ersten Weltkriegs wurde, gab es u.a. in London, und zwar in Kreisen des dekadent-politischen Freimaurerordens Le Grand Orient. Diese Tatsache wurde wohl erstmals durch den Briten H. C. Norman enthüllt. Wir bringen Normans Bericht auf S. 23ff. zum Abdruck.

Damit eröffnen wir zugleich die von Andreas Bracher betreute Artikelserie «1914–2014: Lügen, Fakten, Perspektiven». Diese Serie, bei der auch Autoren wie Terry Boardman und Markus Osterrieder mitwirken werden, soll mindestens bis zum Ende dieses Jahrgangs fortgesetzt werden. Die Serie soll der Weckung des «historischen Gewissens» dienen, und zwar im bewussten Hinblick auf die höchst bedrohliche Gegenwartslage. Denn 2013 könnte wie 1913 zu einem Vorkriegsjahr werden. So jedenfalls die Ansicht eines prominenten und einflussreichen europäischen Staatsmannes: Jean-Claude Juncker.

Spielerei oder Vorwissen?

Anlässlich des traditionellen Neujahrsempfangs der Presse Luxemburgs hat der luxemburgische Premierminister und Ende Januar scheidende Vorsitzende der Euro-Gruppe Juncker nämlich eine beachtenswerte Äußerung gemacht: Er ermahnte die achtzig Journalisten, die seiner Rede folgten, sie sollen sich mit dem Jahr 1913 beschäftigen, dem letzten echten Friedensjahr bis zum Ende des Kalten Krieges. Laut dem luxemburgischen Radio RTL habe Juncker «ein wenig prophetisch» davor gewarnt, «das Jahr 2013 könnte ein Vorkriegsjahr werden wie das Jahr 1913, wo alle Menschen an Frieden glaubten, bevor der Krieg kam».***

Ein in unseren Augen sehr bemerkenswerter Ausspruch; ein Hinweis darauf, dass Kräfte am Werk sind, Europa und die Welt in einen erneuten Kriegszustand zu stürzen.

Wiederholt sich die Geschichte? Ja, wenn zu viele Menschen sich weigern, aus ihr etwas zu lernen.

Thomas Meyer

 

* Vgl. Das Kapitel «Die Entwicklung der Anthroposophie nach Rudolf Steiners Tod» in meinem Buch Wegmarken im Leben Rudolf Steiners und in der Entwicklung der Anthroposophie, Basel, 2012.

** Siehe www.wiso.uni-hamburg.de/fileadmin/sowi/akuf/Text_2010/AKUF-Analysen-10-Schreiber-2011.pdf

*** Zitiert nach http://news.rtl.lu/news/national/374419.html.   Deutsche Fassung: http://alles-schallundrauch.blogspot.ch/2013/01/warnt-jean-claude-juncker-vor-einem.html –  Junckers ganze Rede unter http://www.gouvernement.lu/salle_presse/discours/premier_ministre/2013/01-janvier/07-juncker-presse/index.htm