Interviews

Interview mit dem Germanisten und Kulturschaffenden Jacques Le Rider

«Das einzig Wirkliche sind die einzelnen Individuen»

Jacques Le Rider (geb. 1954) ist für die meisten Europäer-Leser kein Unbekannter. Wir veröffentlichten in der Sommerdoppelnummer des Jahres 2000 einen längeren Aufsatz zu Nietzsches zweiter Unzeitgemäßer Betrachtung; in der Sommernummer 2003 brachten wir einen Auszug aus seiner französischsprachigen Auswahl aus Goethes autobiographischen Schriften, unter dem Titel Goethe, die Französische Revolution und Napoleon. Beide Betrachtungen sind als PdF auf unserer Webseite zu finden.

Le Rider, der in Paris einen Lehrstuhl für deutsche Kulturgeschichte innehat, ist vielleicht der beste gegenwärtige Kenner der multikulturellen Sphäre der «Wiener Moderne» der vorletzten Jahrhundertwende, wie besonders das (aus seiner Habilitationsschrift hervorgegangene) Werk Das Ende der Illusion – Die Wiener Moderne und die Krisen der Identität, Wien 1990, dokumentiert. Sein erstes eigenständiges Werk zum Wien des Fin de Siècle war die 1982 in Paris und 1985 in Wien erschienene Monographie Der Fall Otto Wei-ninger – Wurzeln des Antifeminismus und Antisemitismus. Wir widmeten diesem genialen, rätselhaften Ausnahmemenschen zum 100. Todestag am 4. Oktober 2004 einen Gedenkartikel (In memoriam Otto Weininger, in: Der Europäer Jg. 7 / Nr. 12 / Oktober 2003; ebenfalls als PdF zu finden). Rudolf Steiner sprach im zweitletzten seiner Karmavorträge am 21. September 1924 über Weiningers Leben, Werk und Schicksal, während er im letzten dieser Vorträge Ausführungen über das Karma seines eigenen Lehrers Karl Julius Schröer machte. Beiden Gestalten des Fin de Siècle war trotz ihrer sonstigen Ungleichheit nach Steiner gemeinsam, dass ihnen von früheren Erdenleben her eine reiche Spiritualität innewohnte, welche sich im äußeren Lebensgang nur durch große Hemmungen manifestieren konnte. Weininger und Schröer liegen beide auf dem Matzleinsdorfer Friedhof in Wien begraben, in Sichtweite nebeneinander.

Jacques le Rider wirkt im großen Stile als ein Vermittler mitteleuropäisch-übernationaler Kulturwerte in den französischen Sprachraum. So redigierte er u.a., zusammen mit Jean Lacoste, eine zweibändige französische Nietzsche-Ausgabe. Vor einigen Jahren publizierte er eine Neuübersetzung des zweiten Teils von Goethes Faust (Näheres siehe unten). Dies war der Anlass für mich, ihn um ein Interview für den Europäer zu bitten. Die Fragen wurden per Mail gestellt, jeweils eine Frage per Mail, so dass für Fragen und Antworten genug Atemraum blieb. Ich danke Jacques Le Rider für seine Bereitschaft, auf alle Fragen offen und differenziert einzugehen.

Thomas Meyer 

Hier das Interview mit dem Germanisten und Kulturschaffenden Jacques Le Rider als PDF