Editorial

Der furchtlose Königssohn und die gegenwärtige Weltlage

Die Ereignisse des Jahres 2014 haben weltweit neues Leid gebracht und Furcht und Schrecken eingeflößt. Dauerkrieg im einstmals heiligen Land, im Irak, in Syrien, in der Ukraine, um nur den Anfang einer langen Liste zu benennen. Und die Aussicht in die nahe Zukunft ganz verdüstert. Die Menschheit, vorab die europäische, scheint aus zwei Weltkriegen weniger als nichts gelernt zu haben. Es sind alle Teufel losgelassen, oder sagen wir: fast alle. Denn auch «das Schlimmste» kann noch schlimmer werden. Was ist denn die Lektion, welche die Weltenlenkung gegenwärtig mit Katastrophen zu vermitteln sucht? Vertrauen auf die Kraft des unsichtbaren Geistes und auf die Macht der Lauterkeit des Herzens. Beides tritt uns unverstellt aus Volksdichtungen entgegen, die der aufgeklärte Europäer oft als «Märchen» abtut. Ein solches ist das Märchen vom «Königssohn, der sich vor nichts fürchtet»*. Ehe dieser Königssohn sich mit der Jungfrau seiner eigenen, rein gebliebenen Seele – die Griechen nannten es das Goldene Vlies – vermählen kann, hat er fürchterliche Proben durchzustehen. Er muss mit Klugheit einen Riesen überlisten, der ihn übertölpeln will. Er muss ihm von dem Baum des Lebens einen Apfel holen, vor dem ein Ring hängt. Drei Nächte muss er sich in einem Zauberschloss von ungezählten Teufeln plagen lassen, in einer Art, die Grünewalds «Versuchung des Antonius» als mildes Spiel erscheinen lässt. Er wird gefoltert und verwundet, doch da er furchtlos ausharrt, wird ihm am Ende das Wasser des ewigen Lebens gereicht, das alle zeitlichen Wunden heilt. Der Königssohn ist das Kind in uns, das in lauterer Gesinnung und im furchtlosen Vertrauen auf die Kraft des Geistes, auf den «König Ich» in sich, und auf die aus dem wahren Ich geborene Erkenntnis (Ring und Apfel) den Zugang zum verlorenen Baum des Lebens finden kann.

Nur solche furchtlosen Königssöhne werden die Schläge der Gegenwart und nahen Zukunft unbeschadet überstehen können. Nur durch solche Königssöhne kann der Riese «Gewalt» und können die Teufel aller Geistesfurcht besiegt und überwunden werden.

Dieses Jahr wurde auch Der Europäer von allerlei uns vorher kaum bekannten Hindernissen und Schwierigkeiten heimgesucht. Er hatte gegen unerwartete Finanzengpässe, die dank der Hilfe einiger Sponsoren durchschritten werden konnten, und gegen Unregelmäßigkeiten im Versand zu kämpfen. Eine aufwendige Systemumstellung war von Computerpannen begleitet. Unser Telefon- und Maildienst versagte so manches Mal. Man konnte glauben, man befände sich in einem Zauberschloss und hätte noch nicht die lösende Formel gefunden.

Viele Leser warten ungeduldig auf die neue Jahresrechnung. Das freut uns sehr. Die Rechnungen werden mit Sicherheit eintreffen. Doch falls es erneut zu Verzögerungen kommen sollte, bitten wir nochmals um Ihre Nachsicht.

Wir möchten allen Abonnenten danken, die trotz solcher Widrigkeiten, die im 18. Jahrgang wie aus allen Winkeln krochen, dem Europäer die Treue hielten. Der Spuk scheint zu Ende zu sein, und wir sind zuversichtlich, ein ruhigeres Europäer-Jahr vor uns zu haben. Auch wenn die mittelfristige Finanzierung des Perseus Verlags, in welchem Der Europäer erscheint, noch der nachhaltigen Lösung harrt. (Siehe auch unser Oktober-Editorial.)**

Wir wünschen unseren langjährigen wie unseren neuen Abonnenten eine besinnliche Adventszeit, ein stilles Weihnachtsfest in ernster Weltlage und einen Übergang ins Neue Jahr, mit Schritten, die so wagemutig und furchtlos sind wie die des Königssohns.

Thomas Meyer und die Redaktion des Europäer

*    Es handelt sich um ein Grimm-Märchen
**   Beachten Sie bitte unseren im Impressum angegebenen neuen telefonischen Auskunftsdienst am Donnerstagmorgen.